Prüfung des Bundes
Der Morgen war düster und kühl, der Nebel hing schwer in der Luft und schien die Farben der Welt zu verschlucken. Die Gruppe bewegte sich vorsichtig durch die bewaldete Landschaft, die von einer unheimlichen Stille erfüllt war. Nur das gelegentliche Knirschen von Steinen unter ihren Füßen oder das entfernte Rufen eines Vogels brach die bedrückende Ruhe.
Doch selbst diese natürlichen Geräusche fühlten sich fehl am Platz an – wie ein Echo aus einer Welt, die sie längst verlassen hatten. Clara warf einen schnellen Blick über ihre Schulter zu Kael, der wie immer leicht abseits ging. Er hatte die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, seine Bewegungen waren leise und geschmeidig, wie die einer Raubkatze, die ihre Umgebung ständig im Auge behielt. Neben ihm hielt Lyra Schritt, ihre Haltung entspannt, aber ihre Augen scharf. Clara drehte sich zu Finn, der neben ihr ging, und senkte ihre Stimme. „Ich traue ihm nicht,“ murmelte sie. „Er ist… zu verschlossen. Zu unberechenbar.“ Finn zog die Augenbrauen zusammen, sagte aber zunächst nichts. Stattdessen blickte er ebenfalls zu Kael, der gerade die Hand an den Griff seines Schwertes legte, als ob er auf jedes mögliche Geräusch reagieren könnte. Schließlich sprach Finn leise: „Vielleicht. Aber ich denke, er glaubt, dass er das Richtige tut – auch wenn er uns nicht alles erzählt. Es fühlt sich an, als würde er ständig gegen etwas Unsichtbares kämpfen.“ Clara schnaubte leise. „Das hilft uns aber auch nicht, wenn wir ihm nicht vertrauen können.“ Sie hielt inne, schaute zu Mira, die etwas abseits mit Rurik ging. „Und was, wenn er für uns eine Gefahr wird? Was, wenn er Mira gefährdet?“ Finn antwortete nicht sofort, sondern betrachtete Mira, die an Ruriks Seite neugierig in die Schatten der Bäume starrte. „Ich glaube nicht, dass er das tun würde. Zumindest nicht absichtlich. Aber… du hast recht, wir müssen vorsichtig sein.“ Währenddessen ging Elara an der Spitze der Gruppe und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Die Verantwortung lastete schwer auf ihr, und die Spannungen in der Gruppe machten es nicht leichter. Sie konnte die flüsternden Stimmen von Clara und Finn hören, auch wenn sie nicht jedes Wort verstand. Es war klar, dass der Nebel nicht die einzige Bedrohung war, der sie sich stellen mussten. Sie warf einen Blick nach hinten, direkt in die kalten Augen von Kael. Für einen Moment glaubte sie, etwas darin zu erkennen – ein Anflug von Schuld, vielleicht sogar Bedauern. Doch dann war der Moment vorbei, und er wandte den Blick ab, als hätte er ihre Gedanken durchschaut. „Wir sollten schneller gehen,“ sagte Kael schließlich, seine Stimme schneidend in der Stille. „Der Nebel ist dichter geworden. Sie könnten näher sein, als wir denken.“ „Natürlich,“ erwiderte Elara, ihr Ton schärfer, als sie es beabsichtigt hatte. „Aber vielleicht könnten wir uns auch ein bisschen Zeit nehmen, um herauszufinden, wohin wir überhaupt gehen.“ Kael blieb stehen und drehte sich langsam zu ihr um. „Zeit ist ein Luxus, den wir uns nicht leisten können,“ sagte er ruhig, doch seine Augen funkelten vor unterschwelliger Spannung. Bevor Elara antworten konnte, trat Rurik dazwischen. „Genug,“ sagte er mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete. „Wir sind alle erschöpft und angespannt, aber das hier hilft uns nicht weiter. Wenn wir überleben wollen, müssen wir zusammenarbeiten.“
Die Worte legten sich schwer auf die Gruppe, und ein Moment des Schweigens folgte. Schließlich setzte Elara den ersten Schritt und nickte stumm. Die Gruppe folgte ihr, doch die Atmosphäre blieb drückend. Die Gruppe zog weiter, der Nebel um sie herum schien lebendig, fast lauernd. Die Gespräche waren verstummt, jeder war in seinen eigenen Gedanken gefangen, doch das Gefühl der Anspannung lag wie ein unsichtbares Netz über ihnen. Elara versuchte, die Umgebung aufmerksam im Blick zu behalten, doch ihre Gedanken wanderten immer wieder zurück zu Kael und seinen rätselhaften Worten. Sie konnte das ungute Gefühl nicht abschütteln, dass er etwas vor ihnen verbarg – etwas, das von entscheidender Bedeutung war. Plötzlich blieb Mira stehen, ihre Augen weiteten sich, und sie packte Claras Ärmel. „Da vorne… da ist etwas.“ Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, doch sie brachte die gesamte Gruppe sofort zum Anhalten. „Was hast du gesehen?“ fragte Elara leise und kniete sich neben Mira, um auf Augenhöhe mit ihr zu sein. Das Mädchen zitterte leicht, ihre Finger deuteten in die dichten Schatten zwischen den Bäumen. „Ich weiß es nicht genau… aber es fühlt sich falsch an. Wie… wie ein Loch in der Welt.“ Kael zog lautlos sein Schwert, und die Bewegung ließ einen leichten Schimmer über die Klinge huschen. „Bleibt zusammen,“ sagte er, ohne Elara oder die anderen anzusehen. „Was auch immer es ist, wir sollten vorbereitet sein.“ Die Gruppe formierte sich instinktiv, jeder nahm eine Position ein, die sowohl Schutz als auch Verteidigung bot. Finn stellte sich mit erhobener Axt vor Clara und Mira, während Rurik seinen improvisierten Metallstab in einer festen Umklammerung hielt. Elara griff nach ihrem Dolch, ihr Herz schlug schneller. Der Nebel wirkte dichter, fast greifbar, und die Stille wurde durch ein leises, widerhallendes Geräusch durchbrochen – ein dumpfes Klopfen, das immer näher kam. „Das klingt nicht wie eine Kreatur,“ murmelte Rurik, sein Blick fixiert auf die Dunkelheit vor ihnen. „Aber es kommt,“ fügte Kael hinzu, seine Haltung angespannt wie eine gespannte Feder. Das Geräusch verstärkte sich, wurde lauter, rhythmischer, als ob etwas Großes mit bedächtigen Schritten näherkam. Dann, ohne Vorwarnung, trat eine Gestalt aus dem Nebel. Sie war hochgewachsen, ihr Körper umhüllt von Fetzen, die wie verrottete Schatten um sie herumschwebten. Ihre Bewegungen waren unnatürlich, als würde sie nicht gehen, sondern von einer unsichtbaren Macht vorwärts gezogen werden. Mira keuchte leise, und Clara legte instinktiv einen Arm um sie. „Das ist nicht…“ begann Clara, doch sie konnte den Satz nicht beenden. „Bleibt ruhig,“ flüsterte Elara, ihre Stimme zitterte nur leicht. Sie hob den Dolch, bereit, sich zu verteidigen. Doch bevor jemand etwas tun konnte, hielt die Gestalt inne. Sie schien die Gruppe zu betrachten, obwohl sie keine erkennbaren Augen hatte, nur dunkle Vertiefungen, aus denen ein schwaches Leuchten drang. „Sie… beobachtet uns,“ flüsterte Finn, sein Griff um die Axt wurde fester. Kael trat einen Schritt nach vorne, seine Stimme schneidend. „Wir haben keine Zeit für ein Schattenspiel.“ Ohne zu zögern, stürmte er vor und schwang das Schwert in einem präzisen Bogen. Die Klinge durchschnitt die Luft, doch anstatt die Kreatur zu treffen, wich sie mit einer übernatürlichen Geschwindigkeit zurück. „Sie testet uns,“ sagte Lyra plötzlich, ihre Augen fest auf die Gestalt gerichtet. „Das ist keine direkte Bedrohung. Noch nicht.“ „Was willst du damit sagen?“ fragte Elara, doch Lyra antwortete nicht sofort.
Ihr Blick schien in die Dunkelheit hinter der Kreatur zu wandern. „Das ist ein Bote,“ sagte Lyra schließlich, ihre Stimme leise, aber klar. „Etwas oder jemand schickt sie, um uns zu warnen. Oder vielleicht… zu lenken.“ Die Gestalt zog sich plötzlich zurück, verschwand lautlos im Nebel. Der dumpfe Klang ihrer Schritte verhallte, und die Stille kehrte zurück, doch sie war jetzt noch erdrückender. Elara senkte langsam den Dolch, ihre Gedanken wirbelten. „Ein Bote? Wofür?“ Lyra schüttelte den Kopf. „Das ist die Frage, die wir beantworten müssen. Aber wir sollten uns beeilen. Sie wird nicht die Einzige sein.“ Die Gruppe sammelte sich, ihre Schritte schneller und entschlossener, doch die Unruhe blieb. Der Nebel hatte ihnen erneut gezeigt, dass er nicht nur ein Hindernis war, sondern eine intelligente Macht, die sie beobachtete – und manipulierte. Der Himmel hatte sich in kurzer Zeit verdunkelt, als würde eine unsichtbare Hand dicke Wolken vor die Sonne schieben. Die ersten Tropfen waren kühl und scharf wie Nadelstiche. Elara zog die Kapuze enger um ihr Gesicht, während der Wind an ihrer Kleidung zerrte. „Wir müssen Schutz finden“, rief sie gegen das Heulen des Sturms an. „Da vorne!“ Rurik deutete auf einen alten, verfallenen Unterstand, dessen Dach nur zur Hälfte intakt war. Die Gruppe drängte sich hinein, die kalte Feuchtigkeit klebte an ihrer Haut. Mira kauerte sich an Clara, die einen schützenden Arm um sie legte. Finn blieb dicht an der Öffnung, die Axt griffbereit, während der Regen wie ein Vorhang vor ihnen niederprasselte. „Es hört sich an, als ob der Wald selbst auf uns zukommt“, murmelte Finn und spähte in die tobende Dunkelheit hinaus. „Oder als ob sich etwas darin verbirgt.“ „Das Wetter ist nichts weiter als ein Sturm“, warf Rurik pragmatisch ein. „Wir sollten die Gelegenheit nutzen, um uns auszuruhen, statt uns von Hirngespinsten ablenken zu lassen.“ Doch Elara konnte die Unruhe, die in ihren Knochen vibrierte, nicht ignorieren. Ihr Blick wanderte zu Kael, der wie eine Statue am Rand des Unterstands stand. Der Regen hatte seinen Mantel durchtränkt, doch er bewegte sich nicht, seine Augen starrten in den Sturm, als würde er darin etwas sehen, das den anderen verborgen blieb.
„Kael“, sagte Elara schärfer, als sie beabsichtigt hatte. „Was ist los?“ Kael wandte langsam den Kopf, sein Blick war kühl. „Nichts.“ „Nichts?“ Elara verschränkte die Arme. „Du schaust da raus, als würde der Sturm dir etwas zuflüstern, und das soll nichts sein?“ „Vielleicht tut er das.“ Seine Worte waren leise, doch sie trugen eine Schärfe, die Elara zurückzucken ließ. „Reicht es dir nicht, Geheimnisse vor uns zu haben?“ Ihre Stimme zitterte vor Wut. „Jetzt willst du auch noch vorgeben, dass ein Sturm eine Bedeutung hat?“ „Elara!“ Clara sah von ihrer Position auf und warf ihr einen warnenden Blick zu, doch Elara ließ sich nicht beirren. „Das hier ist kein Spiel“, fuhr sie fort. „Wir riskieren unser Leben, während du…“ Ihre Stimme brach ab, als Kael sie direkt ansah, seine Augen wie blankes Glas. „Du denkst, ich spiele?“ Er trat einen Schritt näher, sein Tonfall eisig. „Glaubst du, ich würde hier sein, wenn ich eine Wahl hätte?“ „Natürlich hast du eine Wahl!“ „Das glaubst nur du.“ Seine Worte hingen schwer in der Luft, bevor er sich wieder abwandte. „Das hier ist größer, als du denkst, Elara. Und du bist nicht die Einzige, die eine Last trägt.“ Rurik räusperte sich und trat zwischen sie. „Das reicht. Wir können uns das nicht leisten, nicht jetzt.“ Die Gruppe fiel in ein angespanntes Schweigen, nur unterbrochen vom Geräusch des Regens und dem Knistern eines kleinen Feuers, das Rurik trotz der Nässe hatte entzünden können. Elara ließ sich auf einen flachen Stein sinken, die Arme um ihre Knie geschlungen. Die Verantwortung, die auf ihr lastete, drückte schwerer als je zuvor. Sie wusste, dass ihre Wut auf Kael nicht nur aus Misstrauen kam, sondern auch aus der schmerzlichen Erkenntnis, dass sie selbst unsicher war. Unsicher, ob sie die richtige Anführerin war. Unsicher, ob sie die Gruppe tatsächlich schützen konnte. Vielleicht hatte Rurik recht – sie konnte es sich nicht leisten, ihre Zweifel zu zeigen. Doch wie lange konnte sie diese Fassade noch aufrechterhalten? In einer Ecke des Unterstands beobachtete Clara Mira eine Weile, bevor sie sich schließlich zu ihr hinunterbeugte. „Ich habe darüber nachgedacht, was du neulich über die Runen gesagt hast“, begann sie vorsichtig, ihre Stimme sanft. „Wie… wie genau weißt du das? Es war, als hättest du etwas gesehen, was wir alle nicht gesehen haben.“ Mira spielte mit den Fransen ihres Mantels und zuckte mit den Schultern. „Ich… ich sehe sie einfach. Es ist, als ob sie mir zuflüstern, was sie bedeuten. Aber… manchmal machen sie mir Angst.“ Finn lehnte sich näher, seine Miene ernst, aber nicht unfreundlich. „Angst? Warum?“ Mira zögerte, bevor sie flüsterte: „Manchmal… fühle ich Dinge, die nicht meine sind. Wie… wie Gedanken oder Erinnerungen. Sie kommen einfach, wenn ich die Runen anschaue. Es ist, als ob sie zu mir sprechen.“
Clara tauschte einen besorgten Blick mit Finn, der ein leises „Hm“ murmelte. Doch bevor sie weiterfragen konnten, hob Lyra den Kopf. „Es gibt viele alte Kräfte, die durch solche Symbole sprechen können“, sagte sie, ihre Stimme wie ein ferner Klang in der Stille. „Aber sie verlangen immer einen Preis.“ Claras Blick wanderte zu Lyra. „Wie meinst du das?“ Lyra sah in die Flammen des Feuers, ihre Augen schienen in eine andere Zeit zu blicken. „In meiner Zeit in den Katakomben von Berlin… gab es ein Ritual. Eine Rune, die so mächtig war, dass sie selbst die Schatten auf Abstand hielt. Doch sie zu nutzen bedeutete, dass man einen Teil von sich selbst opferte. Ich habe Menschen gesehen, die ihre Erinnerungen verloren haben. Andere verloren ihre Namen. Sie existierten weiter, aber sie waren… unvollständig.“ Ein kaltes Schweigen breitete sich aus, und Elara fühlte, wie ihre Haut sich bei dem Gedanken an die Runen zusammenzog. Was bedeutete das für Mira? War sie auch in Gefahr? „Was denkt ihr, wie ich euch gefunden habe?“ Lyras Worte rissen Elara aus ihren Gedanken. Sie hob eine Augenbraue, doch Lyra lächelte nur geheimnisvoll und ließ die Frage unbeantwortet. Der Regen prasselte weiterhin unerbittlich auf die Gruppe herab, während der Unterstand ihre ohnehin angespannten Nerven kaum beruhigen konnte. Der Wind heulte durch die Bäume, als ob er die Gefahr ankündigen wollte, die sich in den Schatten verbarg. Elara schlang die Arme um sich und spähte hinaus in die regnerische Dunkelheit. Ihr Gefühl, beobachtet zu werden, war stärker denn je. „Wir können nicht länger hierbleiben,“ murmelte Rurik, seine Stimme rau. Er hielt die Karte vor sich, das Papier war an den Rändern durchnässt. „Der Regen wird uns nicht ewig schützen, und dieses Ding da draußen weiß, wo wir sind.“ Kael, der bisher abseits gestanden hatte, nickte knapp. „Es sucht nicht nur. Es jagt.“ Seine Worte ließen die Gruppe zusammenzucken. Mira, die an Clara geklammert war, flüsterte: „Es fühlt sich… klüger an. Anders.“ Ihre Stimme war kaum zu hören, doch der Unterton von Angst war unüberhörbar. „Wie anders?“ fragte Clara sanft, während sie Mira beschützend an sich zog. Mira zögerte, dann blickte sie mit großen Augen auf. „Es will nicht nur angreifen. Es beobachtet. Es… wartet.“ Plötzlich erklang ein tiefes, durchdringendes Grollen in der Ferne, das selbst durch das Getöse des Regens zu hören war. Elara fuhr herum und zog ihren Dolch. „Das ist näher als vorher,“ sagte sie, ihre Stimme fest, aber angespannt. „Wir müssen einen Plan machen, und zwar schnell.“ „Wir wissen nichts über dieses Ding,“ warf Finn ein und zog die Kapuze tiefer ins Gesicht, als ob das den Regen fernhalten könnte. „Wie kämpfen wir gegen etwas, das wir nicht sehen können?“ Kael trat vor, seine Kapuze ebenfalls vom Regen durchnässt, und hielt sein Schwert fest in der Hand. „Wir locken es zu uns.“ „Bist du verrückt?“ fuhr Clara ihn an. „Das ist Selbstmord!“ „Wenn wir es ablenken, können wir Zeit gewinnen,“ erklärte Kael ruhig, seine Augen fest auf Elara gerichtet. „Ich werde es auf mich ziehen und den Rest von euch in Sicherheit bringen. Rurik, du kennst die Route am besten. Du führst sie weiter.“ „Kael, das ist Wahnsinn,“ sagte Elara, ihre Stimme bebte leicht vor Wut und Angst. „Du kannst das nicht alleine durchstehen.“ „Vielleicht nicht,“ erwiderte er leise. „Aber ich kann es verlangsamen. Das reicht, damit ihr entkommt.“ Die Gruppe geriet in eine hitzige Diskussion, doch die Entscheidung wurde ihnen abgenommen, als sich das Brüllen näherte – viel näher.
Die Bäume in der Ferne bogen sich wie unter einer unsichtbaren Last, und ein flackerndes, unnatürliches Licht durchbrach die Dunkelheit. „Wir haben keine Zeit für Streit,“ sagte Kael mit scharfer Stimme. „Entweder ihr vertraut mir, oder wir sterben hier.“ Elara zögerte, doch schließlich nickte sie widerwillig. „Sei vorsichtig,“ sagte sie, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern. Es war keine Zustimmung, sondern ein resignierter Kompromiss. Die Gruppe zog sich zurück, während Kael sich bewusst sichtbar positionierte. Er hob sein Schwert, das im schwachen Licht des Regens matt glitzerte. Die Gestalt, die aus den Schatten trat, war riesig – viel größer als die Kreaturen, denen sie bisher begegnet waren. Ihre Form schien sich ständig zu verändern, als ob sie aus flüssigem Schatten bestand, und ihre leuchtenden Augen fixierten Kael mit einer Intelligenz, die ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ. „Na los,“ murmelte er und spannte seine Muskeln an, bereit, zuzuschlagen. „Zeig mir, was du kannst.“ Mit einem durchdringenden Schrei stürzte das Wesen vor. Kael duckte sich und führte einen präzisen Schlag, der jedoch kaum Wirkung zu haben schien. Das Wesen bewegte sich schneller, als er erwartet hatte, und seine Klauen streiften ihn knapp. Doch Kael wich nicht zurück – er führte die Kreatur weiter von der Gruppe weg, durch den strömenden Regen und die Dunkelheit des Waldes. Die Gruppe beobachtete aus sicherer Entfernung, wie Kael das Wesen in die Irre führte. „Er wird es nicht schaffen,“ murmelte Clara und schlang die Arme um Mira. „Kael ist zäher, als er aussieht,“ sagte Rurik, obwohl seine Stirn vor Sorge gerunzelt war. „Aber wir müssen bereit sein, ihm zu helfen.“ Elara hatte sich abseits positioniert, ihr Blick unnachgiebig auf das flackernde Licht in der Ferne gerichtet. „Kael weiß, was er tut,“ sagte sie schließlich, mehr zu sich selbst als zu den anderen. „Und wir werden ihn nicht im Stich lassen.“ Der Regen peitschte durch die Nacht, als Kael die Kreatur zu einem tiefen Graben führte. Der schmale Einschnitt war fast verborgen unter üppiger Vegetation, die von den Wassermassen triefte. Alte, moosbedeckte Steine deuteten darauf hin, dass dies einst ein künstliches Werk gewesen sein musste – ein alter Kanal oder Teil eines längst vergessenen Bewässerungssystems. „Hier endet es,“ flüsterte Kael, als er die Kreatur ein letztes Mal herausforderte. Doch statt anzugreifen, blieb sie stehen, ihre Augen glühend vor einem seltsamen Verstand. Plötzlich ertönte ein Ruf hinter ihm. Elara war ihm gefolgt, ihre Waffe in der Hand. „Ich lasse dich das nicht allein tun!“ rief sie, während sie neben ihm Stellung bezog. „Elara!“ Kael wirbelte herum, sein Gesicht eine Mischung aus Wut und Überraschung. „Was tust du hier?“ „Dir helfen,“ sagte sie entschlossen, ihre Augen fest auf das Wesen gerichtet. Die Kreatur zögerte, als ob sie das neue Element in ihrem Spiel erst begreifen musste. Doch dann stieß sie einen ohrenbetäubenden Schrei aus und stürzte sich erneut auf ihre Beute.
Die Kreatur, ein unheimliches Wesen aus Schatten und pulsierendem Nebel, bewegte sich mit einer fast tänzerischen Präzision, die Elara und Kael zu ständiger Wachsamkeit zwang. Während sie knapp einem Schlag des Wesens auswich, bemerkte Elara ein schwaches, rhythmisches Leuchten in seiner Brust, das in den Momenten kurz aufblitzte, in denen es sich schnell bewegte. „Da!“ rief sie, ihre Stimme scharf und fordernd. „Sieh dir das Licht an – das könnte unser Ziel sein!“ Kael drehte sich gerade noch rechtzeitig, um das Leuchten ebenfalls wahrzunehmen. Seine Augen verengten sich, und sein Griff um das Schwert verstärkte sich. „Ich brauche eine Ablenkung,“ sagte er ruhig, sein Tonfall beinahe unerschütterlich. Elara nickte, ihr Blick fest auf die Kreatur gerichtet. „Verlass dich darauf.“ Mit einem tiefen Atemzug zog Elara ihren Dolch und begann, die Kreatur gezielt zu locken. Ihre Bewegungen waren flink, fast tänzerisch, während sie immer wieder kurze, präzise Angriffe ausführte, die das Wesen zwangen, sich auf sie zu konzentrieren. Die gewaltigen Klauen des Wesens rissen die Luft durch, nur knapp verfehlten sie sie mehrmals, doch Elara wich aus, ihre Schritte führten sie in einem sorgfältig geplanten Muster um das Wesen herum. Kael beobachtete den Moment, in dem die Kreatur sich vollständig auf Elara fokussierte. Das Leuchten in ihrer Brust wurde deutlicher sichtbar, und in diesem Augenblick stürzte Kael vor. Sein Schwert zielte direkt auf das pulsierende Licht, und er setzte all seine Kraft in den Schlag. Der Aufprall war verheerend. Ein durchdringender Schrei erfüllte die Luft, als das Licht in der Brust der Kreatur flackerte und zu einem grellen Blitz anschwoll. Das Wesen taumelte zurück, sein Körper begann, sich im Nebel aufzulösen, doch anstatt zu zerfallen, zog es sich zurück. Seine Gestalt wurde immer diffuser, bis es schließlich in der Dunkelheit verschwand. Der durchdringende Schrei hallte noch in den Ohren von Elara und Kael nach, doch die Gefahr schien fürs Erste gebannt. „Wir müssen zurück zur Gruppe,“ sagte Kael knapp, während er sein Schwert schulterte und Elara einen flüchtigen Blick zuwarf. Elara nickte, ihre Atmung war schwer, doch sie zwang sich, ihre Beine in Bewegung zu setzen. Sie folgten dem schmalen Pfad zurück, den sie gekommen waren, die Geräusche der Nacht schienen intensiver, als ob der Wald sie beobachtete.
Als sie die Stelle erreichten, wo sie die Gruppe zurückgelassen hatten, erhellten flackernde Laternen und ein kleines Feuer die Gesichter der anderen. Rurik trat sofort vor, seine Augen scharf, und musterte die beiden. „Was ist passiert?“ fragte er, seine Stimme kühl, doch besorgt. „Eine Kreatur,“ begann Elara, während sie sich gegen einen Baum lehnte. „Es war anders als alles, was wir bisher gesehen haben. Größer, klüger… und gefährlicher.“ Mira, die dicht an Clara lehnte, hob den Kopf. „Ich… ich habe etwas gespürt. Es war, als ob der Nebel… wütend war.“ Rurik runzelte die Stirn, während er die Laterne höher hielt, um ihre Gesichter besser zu erkennen. „Wütend? Was bedeutet das?“ Kael antwortete nicht direkt. Stattdessen sah er in die Dunkelheit, die sich um die Gruppe herum ausbreitete, als suche er nach weiteren Zeichen. „Wir sollten hier nicht bleiben. Es gibt eine alte Ruine nicht weit von hier. Sie könnte uns Deckung bieten, zumindest für eine Weile.“ Finn, der seine Axt bereits kampfbereit hielt, nickte. „Besser als hier draußen zu sitzen und zu warten, dass uns etwas anspringt.“ Die Gruppe machte sich sofort auf den Weg. Kael führte, während Rurik mit der Laterne die Rückseite sicherte. Mira hielt sich dicht bei Clara, während Finn immer wieder in die Schatten spähten. Elara ging neben Kael, ihre Gedanken noch immer bei der Kreatur. Schließlich erreichten sie die Ruine. Die alten, verfallenen Mauern ragten wie die Knochen eines längst vergessenen Wesens in den Himmel. Die Vegetation hatte das Gemäuer fast vollständig verschlungen, doch es bot Schutz – zumindest vor den Blicken von oben. „Hier sollten wir eine Weile sicher sein,“ sagte Kael und trat als Erster in das halb eingestürzte Gebäude. Die Gruppe folgte, jeder Schritt wurde von der angespannten Stille begleitet. Als sie sich im Inneren niederließen, atmeten alle schwer. Das kleine Feuer, das Rurik mit geübten Händen entfachte, warf flackernde Schatten an die Wände. „Das war knapp,“ murmelte Elara, während sie sich auf einen umgestürzten Stein setzte. Ihre Stimme klang müde, aber dennoch entschlossen. „Knapp ist noch untertrieben,“ erwiderte Finn, der sich neben sie setzte und mit seiner Axt spielte. „Das Ding war ein Albtraum.“ Kael, der abseits stand, sah schweigend in die Dunkelheit, die durch das fehlende Dach hereindrang. „Das war kein gewöhnliches Wesen,“ sagte er schließlich leise. „Es war… anders. Es hat uns beobachtet.“ „Beobachtet?“ Clara zog Mira enger an sich, ihre Stimme war besorgt. „Was meinst du damit?“ Kael antwortete nicht sofort. Stattdessen sah er zu Elara, die seine Worte mit einem fragenden Blick auffing. „Es war ein Test,“ sagte er schließlich. „Und ich glaube, wir haben es gerade so bestanden.”
Die Stille, die auf seine Worte folgte, war schwer. Die Gruppe wusste, dass der Kampf nur der Anfang war und dass der Nebel sie weiterhin jagen würde. Doch in der Ruine fanden sie zumindest für einen Moment Schutz – und Zeit, um sich auf das vorzubereiten, was noch kommen würde. Das Feuer in der Mitte der Ruine knisterte leise, während die Gruppe sich darum versammelt hatte. Rurik, der mit einem wachsamen Blick die Umgebung überprüfte, ließ schließlich seine Laterne sinken und sah in die Runde. „Gut gemacht,“ sagte er knapp, doch in seiner Stimme lag Anerkennung. „Wir sind noch hier – das war nicht selbstverständlich.“ Finn, der seine Axt zur Seite gelegt hatte, schnaubte. „Nicht selbstverständlich ist eine Untertreibung. Dieses Ding hat uns fast erwischt.“ „Aber wir haben es nicht aufgegeben,“ warf Clara ein, ihre Stimme fest. „Das zeigt, dass wir als Gruppe stärker werden.“ Elara, die bisher geschwiegen hatte, hob den Blick. Sie fühlte die Wahrheit in Claras Worten, doch sie spürte auch das Gewicht der Verantwortung, das sie zunehmend belastete. „Stärker, ja,“ murmelte sie. „Aber wir dürfen uns nicht auf Glück verlassen. Wir müssen besser werden.“ Rurik nickte zustimmend. „Besser vorbereitet. Wir haben Potenzial, aber es reicht nicht aus, wenn die Kreaturen immer intelligenter und gefährlicher werden.“ Mira, die bisher ruhig neben Clara gesessen hatte, spielte mit einem losen Faden an ihrem Mantel. Sie sah aus, als würde sie mit sich ringen, etwas zu sagen. Schließlich hob sie den Kopf. „Ich… ich spüre manchmal Dinge,“ begann sie zögerlich, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern. „Die Schatten, der Nebel… es fühlt sich an, als ob sie denken. Als ob sie mich beobachten.“ Clara legte beruhigend eine Hand auf Miras Schulter, doch ihre Stirn war in Sorgenfalten gelegt. „Mira, was meinst du damit?“ „Ich weiß es nicht genau,“ gab das Mädchen zu. „Es ist, als ob ich ihre Wut fühlen könnte. Ihr… Verlangen.“ Sie zog ihre Knie an die Brust und verbarg ihr Gesicht halb darin. Finn, der bisher still zugehört hatte, lehnte sich vor. „Und was fühlst du jetzt?“ fragte er neugierig, aber sanft. Mira hob den Kopf, ihre großen Augen wirkten glänzend im Feuerschein. „Sie sind weit weg. Aber sie kommen zurück. Sie… lernen.“ Elara spürte, wie sich ihre Anspannung erneut verstärkte. Sie sah zu Rurik, der die Stirn runzelte. „Was bedeutet das?“ fragte sie. „Es bedeutet, dass wir schneller lernen müssen als sie,“ antwortete Rurik, seine Stimme fest.
Während die Gruppe weiter über ihre Taktik sprach, drifteten Elaras Gedanken ab. Sie fühlte sich wie eine Fremde in ihrer eigenen Haut, ein ungewollter Anführer, der von allen beobachtet und beurteilt wurde. Ruriks Worte hallten in ihrem Kopf wider: Wir haben Potenzial, aber es reicht nicht aus. Bin ich wirklich diejenige, die sie führen sollte? fragte sie sich. Ihr Blick wanderte zu Kael, der abseits der Gruppe stand und wie so oft in die Dunkelheit starrte. Er war ein Rätsel, und sie konnte nicht entscheiden, ob er eine Stärke oder eine Gefahr darstellte. Clara’s Stimme riss sie aus ihren Gedanken. „Elara, was denkst du? Was machen wir als Nächstes?“ Alle Augen richteten sich auf sie, und Elara spürte den Druck, der auf ihr lastete. Sie holte tief Luft. „Wir müssen uns vorbereiten. Jeder von uns hat Stärken, die wir nutzen können. Aber wir müssen auch lernen, einander mehr zu vertrauen.“ Kael warf ihr einen kurzen Blick zu, sagte jedoch nichts. Seine Miene blieb undurchdringlich, doch Elara hatte das Gefühl, dass er mehr wusste, als er zeigte. Die Nacht verging in einer Mischung aus Ruhe und Anspannung. Rurik übernahm die erste Wache, während die anderen sich langsam zur Ruhe begaben. Doch selbst im Schlaf blieb die Gruppe unruhig, ihre Gedanken gefangen zwischen der Hoffnung, die sie im Feuer des Miteinanders gefunden hatten, und der Dunkelheit, die jenseits der Ruine lauerte. Als die ersten Sonnenstrahlen den Horizont erhellten, stand Lyra auf und trat hinaus in die kühle Morgenluft. Sie blickte in die Ferne, ihre Augen prüfend auf den Nebel gerichtet, der am Rande ihrer Sicht immer dichter zu werden schien. Ein beunruhigendes Gefühl kroch in ihr hoch, und ihre Finger glitten unbewusst über die Runen auf ihrer Kleidung. „Es hat sich etwas verändert,“ sagte sie schließlich, als Rurik zu ihr trat. Ihre Stimme war leise, doch in ihrem Ton lag eine Dringlichkeit, die Rurik innehalten ließ. „Was meinst du?“ fragte er. Lyra nickte in Richtung des Nebels. „Er bewegt sich anders. Zielgerichtet. Es ist fast, als ob er… geführt wird.“ Elara, die gerade hinausgetreten war, um frische Luft zu schnappen, hörte die Worte und trat näher. „Was auch immer es ist, wir werden es bald herausfinden müssen,“ sagte sie, während sie den dichten Nebel beobachtete, der sich wie eine lauernde Präsenz näher schob. Die Gruppe begann, sich zu sammeln, während die ersten Vorbereitungen für den Aufbruch getroffen wurden. Doch in jedem von ihnen blieb das beunruhigende Gefühl, dass etwas auf sie wartete – etwas, das keine Zeit verlieren wollte. Die Gruppe setzte ihren Weg fort, die alte Ruine hinter sich lassend. Die Morgenluft war kalt und schneidend, und der Nebel schien wie ein lebendiges Wesen um sie herum zu lauern. Er wirkte dichter, zäher – nicht wie die diffusen Schwaden, die sie bisher gesehen hatten. Lyra blieb mehrmals stehen, ihre Augen prüften die Umgebung mit einer Mischung aus Sorge und Entschlossenheit. „Es ist nicht wie vorher,“ murmelte sie schließlich. „Der Nebel… es ist, als ob er denkt.“ „Denkt?“ Finn zog skeptisch eine Augenbraue hoch. „Das klingt, als würdest du ihm einen Verstand zuschreiben.“ „Vielleicht nicht denken, wie wir es verstehen,“ antwortete Lyra langsam, „aber er wird kontrolliert. Geführt. Die Schatten bewegen sich nicht mehr ziellos – sie jagen.“ Kael, der bisher schweigend vorausgegangen war, drehte sich um, sein Blick war kühl, aber aufmerksam. „Dann wird es höchste Zeit, dass wir herausfinden, wer oder was dahintersteckt.“ Clara zog Mira fester an sich, ihre Augen wanderten unruhig zwischen dem Nebel und Lyra hin und her. „Aber ist es nicht wahnsinnig, direkt darauf zuzugehen? Vielleicht sollten wir einen Weg finden, es zu umgehen, statt uns direkt ins Verderben zu stürzen.“ „Wenn wir weglaufen, wird es uns trotzdem finden,“ sagte Rurik. Seine Stimme war ruhig, aber bestimmt. „Der Nebel ist keine Bedrohung, die wir vermeiden können. Früher oder später werden wir uns ihm stellen müssen.“ Elara spürte die Anspannung, die sich in der Gruppe aufbaute. Sie atmete tief durch, zwang sich, einen klaren Kopf zu bewahren. „Wir müssen eine Entscheidung treffen. Entweder versuchen wir, den Ursprung zu finden, oder wir suchen eine sichere Route, um Zeit zu gewinnen. Beides birgt Risiken.“
Ein Moment der Stille breitete sich aus, in dem jeder in Gedanken versunken war. Die Atmosphäre wurde schwerer, als der Nebel sich erneut zu bewegen schien. Lyra deutete mit einer knappen Bewegung nach vorne. „Da. Seht ihr das?“ In der Ferne war eine Bewegung zu erkennen – der Nebel schien sich zu verdichten, als ob er zu einem Punkt gezogen würde. Die Gruppe hielt den Atem an, als sie eine dunkle Silhouette ausmachen konnten, die im Zentrum des Nebels Gestalt annahm. „Es ruft sie,“ flüsterte Mira plötzlich, ihre Stimme kaum hörbar. Alle Blicke wandten sich ihr zu, doch das Mädchen schien in Trance, ihre Augen waren glasig. „Es ruft sie alle. Und sie hören zu.“ „Wir müssen weiter,“ drängte Kael, seine Hand um das Schwert an seiner Seite geklammert. „Egal, was das ist, hier können wir nicht bleiben.“ Elara nickte und zwang ihre Stimme zur Ruhe. „Dann gehen wir. Aber bleibt wachsam. Was auch immer dort vorne ist – wir dürfen nicht zulassen, dass es uns auseinanderbringt.“ Mit diesen Worten setzte sich die Gruppe in Bewegung, der dichte Nebel um sie herum verschlang die Geräusche ihrer Schritte. Doch während sie voranschritten, blieb ein unheimliches Gefühl, das sich wie ein Knoten in ihren Gedanken festsetzte: Sie waren nicht mehr nur Beobachter in diesem Spiel – sie waren Teil des Plans. Am Horizont verdichtete sich der Nebel weiter, die Silhouette wuchs, und die Luft wurde schwer von einer unheimlichen, fast greifbaren Präsenz. Jeder Schritt fühlte sich an, als würde er sie näher an etwas bringen, das nicht nur verborgen, sondern absichtlich abgeschirmt war. Etwas, das nicht gefunden werden wollte – und doch rief. Elara spürte, wie sich die Haare auf ihrem Nacken aufstellten. Sie hielt inne und warf einen Blick zurück zur Gruppe. Ihre Gesichter waren von einer Mischung aus Furcht und Entschlossenheit gezeichnet, doch ihre Schritte zögerten nicht. „Wir müssen schneller werden,“ sagte Kael plötzlich, seine Stimme scharf wie ein Messer. „Es spürt uns. Und es wartet nicht.“ Bevor jemand antworten konnte, durchbrach ein tiefes Grollen die Stille – nicht laut, sondern so tief, dass der Boden unter ihren Füßen leicht vibrierte. Ein Flüstern, kaum mehr als ein Hauch, schien aus allen Richtungen zu kommen. Die Worte waren unverständlich, und doch schienen sie direkt in ihre Köpfe zu dringen, wie ein ferner, bohrender Schmerz.
Lyra blieb stehen, ihre Augen weit geöffnet, als hätte sie etwas gesehen, das die anderen nicht wahrnahmen. „Das ist nicht nur der Nebel,“ sagte sie mit einer Stimme, die plötzlich brüchig wirkte. „Das ist etwas… Tieferes. Mächtigeres. Es sieht uns.“ „Was sieht uns?“ fragte Finn, seine Stimme zitterte leicht, obwohl er sie unter Kontrolle zu halten versuchte. „Etwas Altes,“ flüsterte Mira und hob ihren Blick in Richtung der Silhouette, die sich im Nebel immer deutlicher abzeichnete. „Es war schon immer hier. Und jetzt… jetzt ist es wach.“ Elara spürte, wie sich ihre Hände zu Fäusten ballten, obwohl sie nicht wusste, ob es aus Frustration oder Angst war. Sie zwang sich, einen klaren Kopf zu bewahren, doch ihre Gedanken rasten. Das, was vor ihnen lag, fühlte sich nicht nur bedrohlich an – es war, als ob es in ihrer Nähe wuchs, sich nährte, stärker wurde. „Was auch immer es ist,“ sagte Kael schließlich, sein Blick fest auf die Silhouette gerichtet, „wir haben keine Wahl. Wir gehen weiter. Und wir werden herausfinden, was uns erwartet.“ Die Worte waren kaum verklungen, als das Flüstern im Nebel anschwoll. Es schien sie zu umgeben, sich in ihre Gedanken zu graben. Einzelne Worte drangen durch, scharf und kalt wie Eissplitter: „Kommt näher… Kommt zu mir… Ihr gehört… mir.“ Die Silhouette begann, sich zu bewegen. Nicht hastig, sondern langsam und zielgerichtet, als würde sie sie locken, mit der Gewissheit, dass die Beute keine Wahl hatte, als ihrem Ruf zu folgen. Im Nebel erwachte etwas, das lange Zeit geschlafen hatte – etwas, das seine verlorene Macht wiedererlangen wollte. Und es hatte sie gefunden.
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