Elara Schatten im Nebel Kapitel 18

Die stillen Wächter

Die Ereignisse, die zur Rast in der alten Ruine führten, hatten die Gruppe erschöpft zurückgelassen. Während die anderen schliefen, war es Lyra gewesen, die ihre Wache übernommen hatte.

In der schützenden Dunkelheit der zerfallenen Mauern hatte sie die Gelegenheit genutzt, ihre eigenen Wege zu verfolgen – Wege, die sie vor der Gruppe verborgen hielt. In jener stillen Stunde hatte sie sich in eine geschützte Ecke der Ruine zurückgezogen, fernab der schlafenden Gefährten. Dort, auf dem unberührten Boden, hatte sie eine alte Technik genutzt, die nur wenigen bekannt war. Mit präzisen Bewegungen hatte sie Runen in den Staub gezeichnet, deren leises Glühen die Dunkelheit durchbrach. Ein flackerndes Bild erschien vor ihr – Garrens Gesicht, geformt aus Schatten und Licht. Seine Stimme war leise, aber drängend. „Lyra,“ begann er ohne Umschweife. „Was hast du zu berichten?“ „Die Gruppe macht Fortschritte,“ sagte Lyra ruhig. Ihre Stimme war wie ein fließender Strom, sanft, aber unnachgiebig. „Langsam, ja. Aber sie lernen. Die Zusammenarbeit wird besser, wenn auch zögerlich.“ Garren schüttelte den Kopf, seine Stirn in Falten gelegt. „Langsam reicht nicht. Wir haben keine Zeit mehr für zögerliche Fortschritte. Sie müssen schneller handeln.“ Lyra hielt inne, ließ ihre Finger über eine Rune gleiten, die schwach pulsierte. „Die Zeit arbeitet gegen uns, Garren, das weiß ich. Aber es gibt keinen perfekten Moment. Sie müssen wachsen – das kann niemand für sie tun.“ Garren hob eine Augenbraue. „Und Kael? Er bleibt ein Risiko. Seine Geheimnisse könnten uns alle zu Fall bringen.“ „Kael ist ein Risiko,“ stimmte Lyra zu, doch ihre Stimme hatte einen schärferen Ton angenommen. „Aber er ist auch essenziell. Du hast ihn selbst beobachtet. Du weißt, dass er eine Rolle spielt, die niemand sonst übernehmen kann.“ Garren schwieg für einen Moment, seine Miene blieb regungslos. Schließlich nickte er langsam. „Vielleicht hast du recht. Aber die Schatten werden nicht zögern. Wenn er versagt…“ „Dann finden wir einen anderen Weg,“ unterbrach Lyra ihn mit fester Stimme. „Aber bis dahin werde ich diese Gruppe leiten, wie ich es für richtig halte. Du kannst das akzeptieren – oder dich aus dem Weg halten.“ Eine kurze Stille entstand, die nur von einem entfernten Heulen des Windes unterbrochen wurde. Schließlich nickte Garren, wenn auch widerwillig. „In Ordnung. Aber denk daran, Lyra: Wir sind nicht hier, um zu scheitern.“ Mit diesen Worten verschwand sein Abbild, und die Runen erloschen langsam. Lyra verharrte, ihre Handflächen noch immer auf der kalten Erde. Die Dunkelheit schien schwerer geworden zu sein, und für einen Moment schloss sie die Augen, um ihre Gedanken zu ordnen. Dann erhob sie sich und ging zurück zur Gruppe. Als sie die Schlafenden erreichte, wirkte sie wie immer – unerschütterlich und gefasst. Nur Elara, die kurz die Augen öffnete, als Lyra an ihr vorbeiging, bemerkte einen Hauch von Müdigkeit auf ihrem Gesicht. Doch bevor sie etwas sagen konnte, schloss sie die Augen wieder und ließ die Dunkelheit der Ruine sie beide verschlucken. Die Schattengruppe hatte sich in einer alten unterirdischen Kammer westlich von Berlin zurückgezogen. Der Unterschlupf lag tief im Havelland, einem Landstrich, der einst für seine Schönheit bekannt war, nun aber nur noch von düsterer Stille und dichten Nebelschwaden geprägt war. Die Wände waren kalt und feucht, überwuchert von einer seltsamen, dunklen Vegetation, die selbst in der Dunkelheit zu pulsieren schien. Marek, der hager und unruhig wirkte, stand am Eingang und spähte in den dichten Nebel hinaus, während Nara mit ihrem Messer Muster in die Steinwand ritzte. Die drei maskierten Mitglieder der Gruppe hielten sich abseits, ihre Augen hinter dunklen Tüchern verborgen, doch sie blieben wachsam wie immer. Garren beugte sich über eine Karte, die auf dem Boden ausgebreitet lag. Mit einem Stück Holzkohle zeichnete er darauf eine Linie ein. „Sie bewegen sich weiter westlich,“ murmelte er, fast zu sich selbst. „Richtung der Ruinen im Herzen des Havellands. Wenn sie sich zu weit vorwagen, riskieren sie, direkt in den Einflussbereich des Gebrochenen zu geraten.“ „Unvorsichtig wie immer,“ kommentierte Nara, ohne aufzusehen. Ihr Ton war trocken, fast spöttisch. „Elara und ihre Gruppe wissen nicht, was sie tun. Sie spielen mit Kräften, die sie nicht verstehen.“ Marek, der am Eingang lauerte, warf einen Blick über die Schulter. „Vielleicht wollen sie es auch nicht verstehen. Vielleicht sind sie einfach nur dumm genug, blind in ihr eigenes Verderben zu rennen.“ „Das reicht,“ sagte Garren mit leiser, aber scharfer Stimme. Er richtete sich auf und sah die Gruppe an. „Wir sind nicht hier, um sie zu beurteilen. Unsere Aufgabe ist es, sie zu lenken. Egal, ob sie es verdienen oder nicht.“ Marek verschränkte die Arme vor der Brust und schnaubte leise. „Lenken? Du meinst babysitten.“ Nara blickte von ihrer Arbeit auf und grinste leicht. „Vielleicht sollten wir es ihnen einfach sagen. Eine nette kleine Nachricht: ‚Hey, ihr marschiert gerade direkt in den Untergang.‘ Wäre doch einfach.“ Garren schüttelte den Kopf. „Das ist nicht, wie wir arbeiten. Wir bleiben unsichtbar. Und das bleibt auch so.“ Mit diesen Worten zog er ein kleines metallisches Artefakt aus seiner Tasche – ein flaches, runenverziertes Stück, das bei Berührung zu glimmen begann.

Die Gruppe verstummte, als er sich hinkniete und auf den Boden eine Reihe präziser Runen zeichnete. Die Linien pulsierten, während Garren sie aktivierte. Ein Licht flackerte auf, und Lyras Gesicht erschien vor ihnen, geformt aus Schatten und Licht. „Garren,“ begann sie, ihre Stimme ruhig und kontrolliert. „Wie ist die Lage?“ „Sie haben die Ruine verlassen und bewegen sich weiterhin Richtung Westen,“ berichtete Lyra. Ihre Stimme blieb ruhig, doch ein Hauch von Sorge schwang mit. „Der Nebel zieht sie an – wie er uns alle anzieht. Aber sie wissen nicht, dass sie sich der stärksten Präsenz des Gebrochenen nähern.“ Garren nickte, sein vernarbtes Gesicht wirkte wie in Stein gemeißelt. „Das war zu erwarten. Sie machen Fortschritte, aber es reicht nicht. Die Gruppe ist zerbrechlich. Zu viele Fehler.“ „Das ist unvermeidlich,“ erwiderte Lyra bestimmt. „Ich bin bei ihnen, und sie lernen. Langsam, ja, aber sie lernen. Ihre Stärke liegt in etwas anderem – etwas, das sie selbst noch nicht verstehen.“ Nara, die sich abseits hielt, schnaubte leise. „Und wenn sie scheitern? Was, wenn sie nur eine weitere Ablenkung sind?“ Lyras Blick wurde schärfer, als sie Nara direkt ansah. „Dann tun wir, was getan werden muss. Aber sie verdienen die Chance, ihre Rolle zu erfüllen. Es ist unsere Aufgabe, sie auf den richtigen Weg zu führen. Dafür bin ich hier.“ „Kael bleibt ein Risiko,“ fügte Garren hinzu. Seine Stimme hatte einen warnenden Unterton. „Er hält zu viel zurück. Das könnte uns alle gefährden.“ Lyra hielt inne, ihre Hand glitt über eine der Runen, die noch schwach leuchtete. „Kael ist ein Risiko, das weiß ich. Aber er ist auch essenziell. Er trägt etwas in sich, das der Schlüssel sein könnte – oder die Kette, die uns alle bindet. Wir müssen ihn im Auge behalten.“ Die Projektion begann zu flackern, das Licht der Runen wurde schwächer. Doch Lyra sprach noch weiter. „Bleibt in ihrer Nähe. Lenkt sie subtil, wenn es sein muss, aber bleibt im Verborgenen. Das Havelland ist voller Gefahren, und sie wissen nicht, was auf sie zukommt. Wir dürfen sie nicht scheitern lassen.“ „Du weißt, dass das nicht einfach wird,“ sagte Garren. „Aber wir werden tun, was nötig ist.“ Mit diesen Worten verschwand die Projektion, und die Dunkelheit kehrte zurück. Lyra verharrte einen Moment, ihre Gedanken rasten, bevor sie die Runen mit einer schnellen Bewegung verwischte. Dann stand sie auf und machte sich auf den Weg zurück zu ihrer Gruppe. Ihre Schritte waren leise, doch in ihrem Inneren war ein Sturm, der keine Ruhe fand. Mit diesen Worten erlosch die Projektion, und die Runen verblassten langsam. Ein schweres Schweigen legte sich über die Gruppe. Marek sprach als Erster. „Sie sollen der Schlüssel sein, aber wir sind die, die im Schatten kämpfen. Wie lange sollen wir das durchhalten?“ „So lange, wie es nötig ist,“ erwiderte Garren. Seine Stimme war ruhig, aber fest. „Wir sind nicht hier, um Anerkennung zu finden. Wir sind hier, um zu verhindern, dass alles, was noch übrig ist, im Nebel verschwindet.“ Die Gruppe sah einander an, doch niemand widersprach. Die Wahrheit seiner Worte war so schwer wie die Dunkelheit, die sie umgab.

Die Nacht hatte sich längst über das Havelland gelegt, und die dichten Nebelschwaden verwandelten die Ruinen in ein unheimliches Labyrinth. Garren saß mit verschränkten Armen auf einem umgestürzten Steinblock, die Stirn in Falten gelegt. Neben ihm stand Nara, die nervös mit ihrem Messer spielte, während Marek mit finsterem Blick auf und ab ging. „Sie verlangt, dass wir uns in ihrer Nähe aufhalten, ohne uns zu zeigen,“ begann Marek, seine Stimme vor unterdrückter Wut vibrierend. „Aber wie sollen wir das machen, wenn sie sich mitten ins Herz des Nebels begeben? Wir riskieren unser Leben für eine Gruppe, die sich kaum zusammenhalten kann.“ Nara hob den Blick von ihrem Messer und fixierte Marek mit ihren scharfen, dunklen Augen. „Das ist nicht unsere Entscheidung. Lyra hat uns unsere Aufgabe gegeben, und wir werden sie ausführen.“ Ihre Stimme war fest, doch ein Hauch von Zweifel schwang mit. „Nara hat recht,“ sagte Garren ruhig, doch seine Stimme hatte die Schwere eines Befehls. „Wir sind hier, um sicherzustellen, dass sie nicht scheitern. Egal, wie hoch das Risiko ist.“ Marek blieb stehen, drehte sich zu Garren um und deutete mit einer energischen Geste in die Dunkelheit. „Aber warum? Warum setzen wir alles aufs Spiel für sie? Was macht sie so besonders, dass sie wichtiger sind als unser eigenes Überleben?“ Garren ließ sich Zeit mit seiner Antwort, sein Blick ruhte auf dem Boden, als würde er nach den richtigen Worten suchen. Schließlich hob er den Kopf und sah Marek direkt an. „Weil sie unsere einzige Hoffnung sind. Sie haben etwas, das den Nebel anzieht – etwas, das wir nicht verstehen. Wenn wir das ignorieren, riskieren wir nicht nur unser eigenes Leben, sondern das von allen anderen, die noch durchhalten.“ Nara ließ ihr Messer in ihre Tasche gleiten und trat näher. „Marek, hör auf, ständig zu hinterfragen. Wir alle haben Dinge getan, um zu überleben, die wir nicht hinterfragen dürfen. Das hier ist nur ein weiterer Schritt.“ Marek schnaubte und wandte sich ab, doch es war klar, dass er nicht überzeugt war. „Ich hoffe nur, dass du recht hast,“ murmelte er, mehr zu sich selbst als zu den anderen. Ein schmaler Mann, dessen Gesicht unter einem Tuch verborgen war, meldete sich leise zu Wort. „Die Frau – Elara – sie hat etwas in ihren Augen. Ich glaube nicht, dass sie weiß, was sie tut, aber da ist etwas… Unzerbrechliches.“ Garren nickte leicht, seine Augen wurden nachdenklich. „Vielleicht. Aber wir werden es nicht herausfinden, wenn wir uns nicht um sie kümmern.“ „Und was ist mit Kael?“ fragte Nara, ihre Stimme leiser. „Lyra glaubt an ihn, aber… ich weiß nicht. Da ist etwas Dunkles an ihm.“ Garren schwieg einen Moment, bevor er antwortete. „Kael ist ein Risiko, aber er ist auch unsere beste Chance. Solange wir ihn im Auge behalten, können wir kontrollieren, was passiert.“ Ein weiteres Mitglied der Schattengruppe – eine Frau mit einem schmalen Gesicht und hellen Augen – sprach schließlich. „Was, wenn wir uns irren? Was, wenn der Nebel stärker ist als alles, was sie tun können?“ Garren seufzte schwer. „Dann haben wir wenigstens versucht, etwas zu ändern. Aber jetzt ist nicht die Zeit für Zweifel. Wir bleiben in ihrer Nähe und tun, was nötig ist.“ Die Gruppe schwieg, doch die Anspannung war spürbar. Schließlich stand Garren auf, seine Gestalt warf einen langen Schatten auf die zerfallenen Mauern um sie herum. „Wir bereiten uns vor. Der Nebel wird dichter, und es wird nicht einfacher. Bleibt wachsam.“ Die Schattengruppe löste sich langsam auf, jeder verschwand lautlos in der Dunkelheit, um sich auf die nächste Etappe vorzubereiten. Doch in der Stille des Nebels blieben die Zweifel und Spannungen zwischen ihnen bestehen – ein leises Flüstern, das wie ein Echo in ihren Gedanken widerhallte.

Die Nacht schien undurchdringlich, und der Nebel war dichter geworden, als hätte er beschlossen, alles Leben in seiner Reichweite zu verschlingen. Die Schattengruppe hatte sich aufgeteilt, jeder nahm strategisch eine Position ein, die ihnen den besten Überblick gewährte. Garren hockte auf einem niedrigen Dach eines halb zerfallenen Gebäudes, von dem aus er die gesamte Umgebung beobachten konnte. „Es bewegt sich,“ murmelte er leise in den Kommunikator, den sie mit Lyras Runenkommunikation verknüpft hatten. Seine Augen verfolgten die schwachen Schatten, die sich im Nebel abzeichneten. „Sie werden ungeduldig.“ „Oder sie werden geführt,“ kam Nara’s Stimme über das Gerät, die irgendwo weiter unten positioniert war. Ihre Worte trugen einen Hauch von Besorgnis. „Der Nebel ist nicht willkürlich. Wir wissen das.“ Marek, der in einer engen Gasse kauerte, knurrte leise. „Wenn sie näher kommen, werden wir keine Wahl haben, als einzugreifen. Und ich bin nicht sicher, ob das der klügste Plan ist.“ „Wir greifen nur ein, wenn es unvermeidlich ist,“ sagte Garren ruhig, obwohl auch seine Anspannung in jedem Wort mitschwang. „Lyra hat uns gewarnt. Wir dürfen uns nicht zeigen, es sei denn, sie stehen vor einem sicheren Untergang.“ „Sicherer Untergang?“ wiederholte Marek sarkastisch. „Das scheint der Kurs, auf dem sie sich befinden.“ Die Gruppe um Elara war kaum mehr als schemenhafte Gestalten in der Ferne, doch Garren konnte ihre Bewegungen erkennen. Sie waren vorsichtig, suchten Deckung, doch es war klar, dass sie die Nähe des Nebels spürten. Und der Nebel… reagierte. Eine plötzliche Bewegung zog Garrens Aufmerksamkeit auf sich. Ein Schatten, größer und dichter als die anderen, glitt durch den Nebel. Es war kein Mensch, keine Kreatur, die er benennen konnte – es war etwas, das aus den dunkelsten Teilen des Nebels geboren worden war. Es bewegte sich zielgerichtet, als wüsste es genau, wohin es wollte. „Wir haben ein Problem,“ sagte Garren knapp. „Etwas kommt auf sie zu. Es ist groß, und es scheint intelligent zu sein.“ Nara antwortete sofort. „Wie groß?“ „Zu groß, um es zu ignorieren,“ sagte Garren. Er schätzte die Entfernung ab, seine Augen verengten sich. „Wenn sie es nicht bemerken, wird es sie überraschen.“ „Wir müssen sie warnen,“ sagte die Frau mit den hellen Augen – Tara, die in einer halb zerfallenen Ruine hockte. Ihre Stimme war ruhig, aber drängend. „Sie sind noch nicht bereit, gegen so etwas zu kämpfen.“ „Wie willst du das machen, ohne unsere Position zu verraten?“ fragte Marek skeptisch. „Wir können die Richtung ändern, in die es sich bewegt,“ sagte Nara, ihr Ton entschlossen. „Eine Ablenkung könnte ausreichen.“ Garren nickte, obwohl sie ihn nicht sehen konnten. „Nara hat recht. Marek, hast du noch die Rauchbomben bei dir?“ „Ja,“ murmelte er widerwillig. „Aber das ist keine langfristige Lösung.“ „Es muss auch keine langfristige Lösung sein,“ erwiderte Garren. „Wir brauchen nur genug Zeit, damit sie einen sicheren Ort erreichen. Nara, Tara – nehmt die rechte Flanke. Wir lenken das Ding von ihnen weg.“ Die Gruppe setzte sich in Bewegung, ihre Schritte lautlos wie die Schatten, die sie begleiteten. Garren hielt das Wesen weiterhin im Blick, seine Bewegungen waren fast hypnotisierend in ihrer unnatürlichen Präzision. Der Nebel um das Wesen schien zu pulsieren, als ob er auf seinen Befehl reagierte. „Positionen bezogen,“ kam Nara’s Stimme über den Kommunikator. „Warte auf dein Signal.“ „Marek?“ fragte Garren. „Bereit,“ kam die knappe Antwort. „Gut. Auf mein Zeichen.“ Die Zeit schien stillzustehen, während Garren auf den perfekten Moment wartete. Das Wesen war fast bei Elaras Gruppe angekommen, seine Präsenz war so erdrückend, dass selbst die Schatten um es herum zu zittern schienen. Dann hob Garren eine Hand. „Jetzt.“ Die Rauchbomben explodierten mit einem dumpfen Knall, und dichter, beißender Rauch mischte sich mit dem Nebel. Das Wesen hielt inne, als ob es versuchte, die Veränderung zu verstehen. Es wandte sich leicht zur Seite, und Garren konnte sehen, wie die Schatten um es herum unruhig wurden. „Bewegung erfolgreich,“ sagte Nara leise. „Aber das wird uns nicht lange Zeit verschaffen.“ „Es reicht,“ murmelte Garren. „Rückzug. Wir müssen einen neuen Beobachtungspunkt finden.“ Die Schattengruppe zog sich zurück, ihre Schritte lautlos und geübt. Garren warf einen letzten Blick auf das Wesen, das nun langsam in eine andere Richtung abdriftete. Die Gruppe um Elara war außer Gefahr – vorerst.

Der Nebel war dichter geworden, und die Nacht hatte jede Farbe aus der Umgebung gesogen. Die Schattengruppe hatte sich in einer halb zerfallenen Kirche versammelt, deren hohe Fenster wie leere Augenhöhlen in die Dunkelheit starrten. Der Altar war von Moos und feinem Staub bedeckt, und das Licht des Mondes, das durch die zerbrochenen Dachbalken fiel, schien sie wie Geister in einer verlassenen Welt einzufangen. Garren saß auf einer der alten Steinbänke und ließ seinen Blick über seine Leute schweifen. Nara, die immer noch ihr Messer in der Hand hielt, saß an der Wand und betrachtete die Klinge mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck. Marek lehnte an einem der zerfallenen Pfeiler und sah abwechselnd aus einem der Fenster und zu Garren. Tara und die anderen beiden Mitglieder der Gruppe hielten sich im Hintergrund, sprachen leise miteinander und überprüften ihre Ausrüstung. „Das war riskant,“ begann Marek, seine Stimme ruhig, aber voller Anspannung. „Wir haben uns fast verraten.“ „Fast,“ erwiderte Garren. „Aber nicht ganz. Und das war es wert.“ Nara hob eine Augenbraue. „Wert? Sie haben nicht einmal bemerkt, dass wir ihnen geholfen haben. Sie denken wahrscheinlich, es war ein glücklicher Zufall.“ „Und genau so sollte es sein,“ sagte Garren mit fester Stimme. „Unsere Aufgabe ist es nicht, gesehen zu werden. Unsere Aufgabe ist es, sicherzustellen, dass sie weitergehen können.“ „Weitergehen?“ Marek schnaubte abfällig. „Wohin? In ihr eigenes Verderben? Der Nebel wird nicht einfach verschwinden, weil sie ein paar Kreaturen überleben.“ „Das weiß ich,“ sagte Garren ruhig, seine Augen scharf wie die Klinge, die Nara in den Händen hielt. „Aber sie haben etwas, das wir nicht verstehen. Und bis wir es verstehen, sind sie unsere beste Chance – oder unsere größte Gefahr.“ Nara legte das Messer zur Seite und lehnte sich zurück. „Ich habe immer noch meine Zweifel, Garren. Diese Leute – sie sind keine Kämpfer. Sie sind keine Strategen. Sie stolpern mehr, als dass sie gehen.“ „Sie lernen,“ sagte Garren. „Langsam, ja. Aber sie lernen. Und sie haben Lyra.“ Der Name brachte einen Moment der Stille in die Gruppe. Marek war der Erste, der sprach. „Lyra mag stark sein, aber sie kann sie nicht ewig beschützen. Was passiert, wenn sie sich entscheiden muss? Zwischen ihnen und uns?“ Garren sah Marek direkt an. „Das wird sie nicht müssen. Weil wir dafür sorgen, dass es nicht dazu kommt.“ „Und wenn doch?“ fragte Nara leise. Garren schwieg für einen Moment, bevor er antwortete. „Dann liegt es an uns, die richtige Entscheidung zu treffen.“ Die Gruppe fiel in ein nachdenkliches Schweigen. Das Echo ihrer Stimmen schien sich in den alten Mauern zu verlieren, während der Nebel draußen weiter kroch, unaufhaltsam und unbarmherzig. Tara, die bisher geschwiegen hatte, trat nach vorne. „Es gibt etwas, das ich bemerkt habe,“ sagte sie leise. „Das Wesen… es war nicht allein. Der Nebel schien… anders. Fast lebendig.“ Garren hob den Kopf und sah sie aufmerksam an. „Was meinst du?“ „Ich weiß es nicht genau,“ antwortete Tara, ihre Stirn in Falten gelegt. „Aber es war, als ob der Nebel das Wesen geführt hat. Als ob er einen eigenen Willen hat.“ „Das passt zu dem, was Lyra gesagt hat,“ murmelte Nara. „Der Nebel wird stärker. Intelligenter.“ „Und gefährlicher,“ fügte Marek hinzu. Garren nickte langsam. „Das bedeutet, dass wir noch vorsichtiger sein müssen. Und dass unsere Aufgabe wichtiger ist als je zuvor.“ Die Gruppe nickte, doch die Anspannung in der Luft blieb spürbar. Garren spürte, wie die Verantwortung schwer auf seinen Schultern lastete. Sie hatten diese Nacht überlebt – aber was würde die nächste bringen?

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