Das WEF will uns das heimische Gärtnern verbieten? Spoiler: Nein

Ich werde ja des öfteren mal bei tiktok unter Beiträgen markiert und dann schau ich mir diese auch ab und zu mal an. Meistens ist es absoluter Quatsch. Wie hier zum Beispiel.

Screenshot vom tiktok Beitrag

Der Beitrag behauptet, dass das WEF fordern würde privaten Anbau von Obst und Gemüse verbieten zu lassen. Woher der Artikel kommt, kann ich nicht sagen, da es ihn scheinbar nicht mehr gibt, zumindest habe ich ihn nicht gefunden. Was ich gefunden habe, sind diverse Fakenewsschleudern, die das ein paar Tage später wiederholt haben. Darunter uncut-news und pravda. (Wobei uncut-news sich später mehr oder weniger berichtigt hat)

Der Beitrag beginnt mit den Worten:

Eine Studie behauptet: Selbst angebautes Gemüse verursache bis zu fünfmal mehr CO2 als herkömmliche Landwirtschaft.
Um,,Netto-Null“ bis 2030 zu erreichen, sollen die Bürger laut WEF auch weniger Fleisch essen, keine Privatautos mehr fahren und nur wenige neue Klamotten kaufen dürfen.

Fangen wir kurz an zu graben.

  1. Die Studie gibt es.
  2. Das WEF hat damit nichts zu tun.
  3. Weder die Studie noch das WEF fordern ein Verbot.
  4. Hier wurde bewusst verdreht um ein Narrativ zu bedienen.

1. Die Studie gibt es

Die Studie gibt es und sie wurde von der University of Michigan unter der Leitung von Joshua Newell erstellt. Allerdings wurde sie bereits im Januar 2024 veröffentlicht. Sie ist zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Beitrages also bereits über ein Jahr alt. Und bereits vor einem Jahr wurde darüber berichtet. Man hätte es also wissen können.

Screenshot zu einem Artikel des britischen Telegraph

2. Das WEF hat damit nichts zu tun.

Im tiktok Beitrag ist eine Quelle angegeben (unter dem Titelbild) zu einer höchstseriösen (/Sarkasmus) Newsseite. Slaynews. In diesem Artikel wird wiederholt behauptet, dass es eine WEF Studie sei und die University of Michigan finanziert werde durch das WEF.

Was hat das Weltwirtschaftsforum (WEF) mit der Studie zu tun? Nichts.

Joshua Newell, Professor für Umwelt und Nachhaltigkeit und Co-Direktor des Center for Sustainable Systems am SEAS, leitete den UM-Teil des Projekts. Die UM-Forscher bildeten ein internationales Team aus Mitarbeitern von Universitäten in der Nähe der verschiedenen Anbaugebiete. Zehn dieser Mitarbeiter sind Co-Autoren der Nature Cities-Studie.

[…]

Co-Autoren des Nature Cities-Artikels kommen von der McGill University in Kanada, der Universität Paris-Saclay und der Agroecology and Environmental Research Unit in Frankreich, der University of Kent im Vereinigten Königreich, ILS Research in Deutschland, der City University of New York und der Adam Mickiewicz University in Polen.

Unterstützt wurde das Projekt vom britischen Economic and Social Research Council, dem deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung, der französischen National Research Agency, der US-amerikanischen National Science Foundation, dem polnischen National Science Centre und dem Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 202 der Europäischen Union.

(Quelle: University of Michigan)

Aber wie kommen diese Artikel jetzt auf die Aussage, dass das WEF für die Studie verantwortlich wäre?

Die University of Michigan wird auf der Webseite des WEF erwähnt… Als Universität.

Screenshot der Webseite des WEF

Und einer der Professoren dort ist Mitwirkender des WEF. Allerdings nicht aus dem Bereich, der die Studie betreffen würde. Aus dem Maschinenbau.

Screenshot der Webseite des WEF

Doch die ganze Geschichte um angebliche Verbote des heimischen Anbaus ist nicht neu. Seit Jahren wird es immer wieder behauptet, nur die ausgewählten Schuldigen wechseln dabei. Im Jahr 2022 war es noch die EU, bzw 2017/2013. Damals hatte ich ein Video dazu auf tiktok veröffentlicht.

Original auf tiktok vom 24.11.2022

3. Weder die Studie noch das WEF fordern ein Verbot.

In der Studie geht es um urbane, also städtische low-tech Landwirtschaft und da vor allem um Schrebergärten und andere normale Gärtnerei und Landwirtschaft. Es geht nicht um vertikale Gärten und Hydroponic Gärten, die hier als Hightech gewertet werden.

Urbane Landwirtschaft, die Praxis der Landwirtschaft innerhalb der Stadtgrenzen, erfreut sich weltweit zunehmender Beliebtheit und wird als Möglichkeit angepriesen, Städte und städtische Lebensmittelsysteme nachhaltiger zu gestalten. Schätzungen zufolge betreiben zwischen 20 und 30 % der weltweiten Stadtbevölkerung irgendeine Form von urbaner Landwirtschaft.

Trotz überzeugender Belege für die sozialen und ernährungsphysiologischen Vorteile der urbanen Landwirtschaft ist ihr CO2-Fußabdruck noch wenig erforscht. Die meisten bisher veröffentlichten Studien konzentrierten sich auf hochtechnologische, energieintensive Formen der urbanen Landwirtschaft – wie vertikale Farmen und Gewächshäuser auf Dächern –, obwohl die überwiegende Mehrheit der städtischen Farmen ausgesprochen Low-Tech-Betriebe ist: Pflanzen werden im Freiland angebaut.

(Quelle: University of Michigan)

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Infrastruktur der urbanen Landwirtschaft der größte CO2 Treiber ist, weshalb der Ausstoß 5-6 mal höher ist, als der der konventionellen Landwirtschaft. Mit Infrastruktur sind vor allem die Aspekte rund um die Landwirtschaft gemeint, nicht der eigentliche Anbau selbst.

„Die meisten Klimaauswirkungen urbaner Farmen sind auf die verwendeten Baumaterialien – die Infrastruktur – zurückzuführen“, sagte Goldstein. „Diese Farmen sind in der Regel nur wenige Jahre oder Jahrzehnte in Betrieb, sodass die Treibhausgase, die für die Produktion dieser Materialien entstehen, nicht effektiv genutzt werden. Die konventionelle Landwirtschaft hingegen ist sehr effizient und kaum konkurrenzfähig.“

Beispielsweise bauten konventionelle Bauernhöfe oft nur eine einzige Nutzpflanze mit Hilfe von Pestiziden und Düngemitteln an, was im Vergleich zu städtischen Bauernhöfen zu größeren Ernten und einem geringeren CO2-Fußabdruck führe, sagte er.

(Quelle: University of Michigan)

Aber wie häufig in Studien, werden auch Lösungen angeboten.

Die Forscher identifizierten drei bewährte Verfahren, die entscheidend dazu beitragen, die CO2-Konkurrenzfähigkeit der Low-Tech-Landwirtschaft in städtischen Gebieten gegenüber der konventionellen Landwirtschaft zu steigern:

  • Verlängern Sie die Lebensdauer Ihrer Infrastruktur . Verlängern Sie die Lebensdauer von Materialien und Strukturen wie Hochbeeten, Kompostierungsanlagen und Schuppen. Ein Hochbeet, das fünf Jahre lang genutzt wird, hat pro Portion etwa viermal so hohe Umweltauswirkungen wie ein Hochbeet, das 20 Jahre lang genutzt wird.
  • Nutzen Sie städtische Abfälle als landwirtschaftliche Betriebsmittel . Sparen Sie Kohlenstoff durch „urbane Symbiose“. Dazu gehört die Wiederverwendung von Altmaterialien wie Bauschutt und Abbruchabfällen, die für Neubauten ungeeignet, aber für die städtische Landwirtschaft potenziell nützlich sind. Die bekannteste symbiotische Beziehung zwischen Städten und städtischer Landwirtschaft ist die Kompostierung. Dazu gehört auch die Nutzung von Regenwasser und recyceltem Grauwasser – beispielsweise aus Duschen, Badewannen oder Waschmaschinen – zur Bewässerung.
  • Hoher sozialer Nutzen. In einer für die Studie durchgeführten Umfrage berichteten städtische Landwirte und Gärtner überwiegend von einer verbesserten psychischen Gesundheit, Ernährung und sozialen Netzwerken. Zwar reduziert eine Steigerung dieser „Nicht-Lebensmittel-Produktion“ nicht den CO2-Fußabdruck, doch „Anbauflächen mit maximalem sozialen Nutzen können die konventionelle Landwirtschaft übertreffen, wenn die Vorteile der sozialen Nutzung ganzheitlich betrachtet werden“, so die Studienautoren.

(Quelle: University of Michigan)

Hätte man wissen können, wenn man die Studie, oder wenigstens das Abstrakt, gelesen hätte. Das hätte aber nicht ins gewünschte Narrativ gepasst. Und das bringt uns zum letzten Punkt.

4. Hier wurde bewusst verdreht um ein Narrativ zu bedienen.

Durch die wiederholende Bezeichnung „Globalisten“ könnte man bereits erahnen, dass der Ausgangsbeitrag und alle sich darauf beziehenden einem bestimmten Narrativ folgen. Sie alle folgen der WEF als NWO (New World Order) Hypothese. „Geheime Eliten, die aus dem Verborgenen heraus die Welt lenken“ würden. So geheim, dass sie sich in aller Öffentlichkeit jährlich in einem Forum treffen und an Workshops teilnehmen. So geheim, dass sogar Teilnehmerlisten auf der öffentlich einsehbaren Webseite vorhanden sind. Oft spielt auch Antisemitismus eine Rolle. Es ist ein rabbit hole, in das man nicht steigen sollte, wenn man nicht unbedingt muss. Viele Dinge werden hier miteinander in Verbindung gebracht, die grundsätzlich nichts miteinander zu tun haben. Wie wir auch in diesem Beispiel sehen konnten.

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